Dienstag, 1. Oktober 2013

Flucht aus Lager 14

Die Geschichte von Shin Dong-hyuk, der 1982 im nordkoreanischen Internierungslager Kaech'ŏn (Straflager 14) geboren wurde und 2005 entkam, hat mich zutiefst berührt und nachdenklich gemacht. Das Buch ist ein trauriges Zeugnis eines ungewöhnlichen Schicksals und zugleich Dokument eines unmenschlichen Lagersystems.


Der kleine Junge lernte die Regeln des Lagers,
"die zehn Gebote", wie er sie später nannte,
auswendig und kann sie auch heute noch aufsagen.
Die erste lautete: Jeder, der bei einem Ausbruchs-
versuch gefasst wird, wird auf der Stelle erschossen.

Um den Häftling daran zu hindern, den Staat,
der ihm gleich das Leben rauben würde, zu verfluchen,
stopften die Wärter seinen Mund mit Kieselsteinen
und zogen ihm eine Kapuze über den Kopf.

Die Wärter zogen Shin aus, fesselten seine Hand-
und Fussgelenke und hängten ihn an einen Haken
an der Decke. Anschliessend machten sie unter
ihm ein Feuer und liessen ihn langsam von der Decke
herab. Als seine Haut Blasen warf, fiel er in Ohnmacht.

Shin und seiner Mutter ging es während der
Hungersnot elend, sie litten Hunger, aber nicht
stärker, als sie es im Lager ohnehin gewohnt waren.
Der Junge machte weiter wie bisher, fing Ratten,
ass seiner Mutter das Mittagessen weg und
erduldete die Schläge, die er dafür bekam.

Er nahm seinen langen Zeigestock aus Holz, holte
weit aus und schlug immer wieder auf den Kopf des
Mädchens. Während Shin und seine Klassenkameraden
schweigend zusahen, bildeten sich auf dem Kopf des
Mädchens kleine Schwellungen.

Er befahl dem Jungen, seine Zunge auf ein eiskaltes
Moniereisen zu drücken. Es dauerte fast eine Stunde,
bis es Soon Ho mit Tränen in den Augen und blutigem
Mund gelang, seine Zunge vom Eisen zu lösen.

Als er schwer verletzt auf dem Boden des Schachts lag,
verspürte er mehr Enttäuschung als Schmerzen.

Er hatte 23 Jahre in einem Freiluftkäfig verbracht,
in dem Männer mit Willkür, Folter, Morden,
Hinrichtungen und der Pflicht zur Denunziation über
die Gefangenen herrschten. Er fühlte sich wunderbar
frei - und soweit er es beurteilen konnte, gab es
niemanden, der nach ihm suchte.

Das Wort, das Shin immer und immer wieder
gebrauchte, um diese ersten Tage in der Freiheit
zu beschreiben, war "Schock".

8 Kommentare:

  1. Ich verschlinge solche Bücher regelrecht. Danke für den Kauftipp.

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    1. Bitte, sehr gerne. Ist echt ein bewegendes Buch... und unfassbar traurig!

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  2. Verneige mich vor diesem Lebenswillen.

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    1. Definitiv! Besonders eindrücklich ist auch, dass er nie an Selbstmord dachte. Selbstmord war nie eine Option für ihn,... aber jetzt in der Freiheit kämpft er mit sich. Schon unfassbar!

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  3. Ich empfehle Ihnen den Film dazu:
    "Camp 14 Total Control Zone" von Marc Wiese
    ....der übrigens bei mir um die Ecke lebt und großartige Filme macht!

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    1. Vielen Dank, habe mich auch sonst noch etwas vertiefter mit seiner Geschichte befasst und auch auf den Dokumentarfilm gestossen. Muss ich mir in einer ruhigen Minute unbedingt anschauen.

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  4. Wollte ich grade schreiben, ist das Buch nicht grade verfilmt worden? Film soll auch Top sein

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    1. Stimmt, die Geschichte von Shin Dong-hyuk wurde auch verfilmt. Muss ich mir noch anschauen.

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