Donnerstag, 24. November 2011

Pralinen zum Abschied

Er kam pünktlich,... wie immer in den vergangenen acht Jahren. Und er war gut gekleidet,... wie immer in den vergangenen acht Jahren: Der Anzug sass perfekt, das Hemd war strahlend weiss, die Krawatte sorgfältig gebunden und am linken Handgelenk glänzte ein edler Chronograph aus dem Hause IWC. Sein Händedruck war fest, seine Worte freundlich, nur die Stimme war anders... und das Leuchten in seinen Augen. Es war verschwunden!



...

"MiH,... ich danke dir! Du bist ein feiner Kerl,... hart, aber fair, dass schätze ich an dir. Ich möchte mich bedanken,... persönlich,... auch für dein Vertrauen über all die Jahre..."

[Er reicht mir eine Schachtel Pralinen über den Tisch]

"... und es freut mich, Dich auch weiterhin zu unseren Kunden zählen zu dürfen!"

"Vielen Dank,... wenn Qualität und Konditionen auch weiterhin stimmen gerne, dass weisst Du. Ich muss hart sein,... Termine,... Budgetdruck,... Richtlinien,... Du kennst das..."

[Ich schaue ihm in die Augen und lächle]

"... aber wir haben uns immer gefunden,... egal wie,... bei uns hat nie einer verloren..."

[Ein unsicheres Lächeln huscht über sein Gesicht]

"Ja, da hast Du recht,... aber ich werde verlieren..."
"Ehm,... wie meinst Du das...?"

"MiH,... ich habe Nierenkrebs..."
"..."

"... ein Teil wurde schon entfernt, aber es ist zu spät,... ich habe bereits Metastasen. Die Ärzte geben mir nicht mehr lange..."
"..."

"... und daher bin ich auf Abschiedstour!"
"..."

"Weisst Du,... ich will jetzt für meine Familie da sein... und meine Enkelkinder..."
"Oh Gott,... wie geht's dir?"

"Ach,... ich hatte schon bessere Tage,... die Chemo frisst mich auf..."
"..."

"... und alle acht Stunden nehme ich eine Tablette,... gegen die verdammten Schmerzen,... dann habe ich einen konstanten Pegel..."
"Das ist ja Wahnsinn..."

"Jetzt schaue ich noch bei meinen A-Kunden rein,... dann war's das!"
"Dann war's das? Was dann war's das...?"

"Meine Zeit läuft ab MiH,... ich muss gehn'...!"
"Aber..."

"MiH,... da ist kein aber,... nur noch ein wann."
"Ein wann...?"

"Ja,... meine Uhr tickt..."

"Aber..."

"Nein, kein aber!"
"Sicher?!"

"Ganz sicher MiH,... ganz sicher!"

16 Kommentare:

  1. Heftige, weil schleichende Sache. Hat meine Mutter auch, aber die Bedingungen sind etwas anders.

    Das wird in der Regel nur zufällig entdeckt, weil die zweite Niere die Funktion der betroffenen Niere mit übernimmt, oder zu spät, wenn der Kranke schon Schmerzen hat.

    Zudem ist es eine von - ich glaube nur zwei - Krebsarten, die vererbbar ist. Also heißt es für meinen Bruder und mich: alle zwei Jahre checken lassen.

    Das sind schwere Gänge, die er macht. Für ihn und für die Menschen, die ihm wichtig sind.

    Möge ihm noch eine Zeit bevorstehen, die er für sich sinnvoll nutzen kann und die so gut ist, wie sie eben unter diesen Umständen sein kann.

    Scheiß Nachricht.

    AntwortenLöschen
  2. Das ist wieder so ein Content zu dem man nichts zu sagen weiß, aber etwas sagen möchte...

    Man sollte sich jeden Tag vor Augen führen, wie kurz das Leben ist. Oftmals ist es schneller vorbei als man denkt.

    Schlimm! Der arme Mann und die armen Angehörien...

    Schlimm, wenn jemand so aus dem Leben scheiden muss...

    Ganz schlimm! Ist das! Ich muss bei sowas immer weinen, auch wenn ich den Menschen nicht kenne...

    AntwortenLöschen
  3. @Rostkopp: Sie sagen es: Scheiss Nachricht!

    @crooks: Oh ja, das Leben ist kurz, dies sollte man sich viel öfters und viel bewusster vor Augen führen. Ich kenne ihn "nur" beruflich, aber es geht mir echt nahe. Er ist ein toller Mensch!

    AntwortenLöschen
  4. Wahnsinn... Ich finde es extrem beeindruckend und berührend, wie dieser Mann sich seinem Schicksal stellt und den Mut aufbringt, sich von den Menschen, die ihm im Leben etwas bedeutet haben, persönlich zu verabschieden und ihnen seine Wertschätzung sogar noch mit einem Präsent auszudrücken. Bittersüsse Pralinen...

    Was für eine beeindruckende Persönlichkeit! Eine sehr ergreifende Geschichte.

    AntwortenLöschen
  5. Diese Krankheit ist so mies, es gibt hier keinen Trost.

    AntwortenLöschen
  6. @kunstecht: Danke!

    @Rosalie: In der Tat! Vor solchen Menschen ziehe ich ganz einfach meinen Hut. Er ist wirklich eine starke Persönlichkeit!

    AntwortenLöschen
  7. @Vanilla: Sie sagen es,... Sie sagen es...!

    AntwortenLöschen
  8. Das geht buchstäblich an die Nieren. Da fällt wenig zu sagen ein.

    AntwortenLöschen
  9. Das sind immer die Situationen, in denen mir dann die Worte fehlen. Ich kann nur sagen: Ein toller Mensc! Ich wünsche ihm, daß er nicht zu sehr leiden muß und noch eine schöne und erträgliche Zeit hat.

    AntwortenLöschen
  10. Wieder ein Post, das mir vor Augen hält, die letzte Zeit (und die Kommende) alles richtig gemacht zu haben...

    Ich sehe es auch oft im Kundenkreis. Und bin jedes Mal geschockt und erschüttert.

    AntwortenLöschen
  11. @Alice: Treffend formuliert! Ist wirklich traurig!

    @Spanksen: Mir geht's auch so!

    @chiefjudy: Genau! Ja, es bleibt zu hoffen, dass er nicht all zu sehr leiden muss und sich gebührend von dieser Welt verabschieden kann. Ich stelle mir das sehr, sehr schwer vor. Die Gewissheit zu haben und noch alles planen zu können. Dann lieber zack bumm und weg! Alles andere würde mich nur kaputt machen.

    @Finchen: Ich nenne so etwas ganz einfach Schicksal. Man kann es nicht fassen!

    AntwortenLöschen
  12. Nachdem ich einen lieben Menschen an Bauchspeicheldrüsenkrebs hab gehen sehen, wünsche ich diesem Mann vor allem, dass er in Würde gehen kann... und seiner Familie Kraft und Zuversicht.

    AntwortenLöschen
  13. Yup, so einen Abgang "Zack und weg" wünsche ich mir auch mal. Bei allem anderen käme ich nur ins Grübeln...
    Aber, man kann sich das halt nicht aussuchen.

    AntwortenLöschen

Hinweis: Die Kommentarprüfung ist aktiviert. Kommentare werden nach Prüfung ggf. freigeschaltet. Wer hier nur labbern, beleidigen oder stänkern will, kann es sein lassen. Herr MiH interessiert sich nur für die, die wirklich was zu sagen haben. Und das geht übrigens nicht anonym.